Die Ersatzteilversorgung im Maschinen- und Anlagenbau ist für viele Unternehmen ein strategisches Thema, das oft nicht nur technisch, sondern auch rechtlich relevant wird. Eine jüngste Veranstaltung des VDMA in Dortmund beleuchtete u.a. genau dieses Thema: Die Pflicht zur Lieferung von Ersatzteilen. Auch wenn viele Unternehmen davon ausgehen, dass eine solche Pflicht existiert, zeigte der Konsens unter den Experten, dass die Rechtslage weitaus weniger eindeutig ist als vermutet.
Zwar fehlt eine klare Regelung zur Ersatzteilversorgung, und doch gibt es zahlreiche Gründe für die (freiwillige) Bereitstellung von Ersatzteilen.
Die Rechtslage: Keine gesetzliche Pflicht zur Ersatzteilversorgung
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Lieferung von Ersatzteilen in Deutschland sind nicht eindeutig. Zieht man eine Reihe von Gesetzen oder Vorgaben heran, so wird deutlich, dass beispielsweise laut § 433 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) keine ausdrückliche Verpflichtung, Ersatzteile nach dem Verkauf bereitzustellen, besteht. Im genannten Paragraphen heißt es unter Absatz 2 lediglich, dass der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen hat. Durchaus finden sich genug Stellen im Gesetzbuch, die einen Anspruch auf Ersatzteile begründen können. Doch weder im deutschen Recht noch im EU-Verbraucherrecht gibt es Vorschriften, die Hersteller oder Importeure ausdrücklich und unmissverständlich verpflichten, während der gesamten Lebensdauer eines Produkts Ersatzteile für Endverbraucher zur Verfügung zu stellen.
Auch eine bestehende Vertrauensbeziehung zwischen den Parteien oder der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB reicht oftmals nicht aus, um einen solchen Anspruch auf Ersatzteile zu begründen. Der Lieferant ist zwar verpflichtet, sicherzustellen, dass typische Verschleißteile weiterhin verfügbar bleiben, um die Nutzung des Produkts nicht unnötig einzuschränken. So wäre es beispielsweise wenig sinnvoll, wenn Ersatzteile für eine kapitalintensive Maschine nur für einen kurzen Zeitraum erhältlich wären. Ein direkter Anspruch auf Ersatzteile steht dem Käufer allerdings nur zu, wenn das Produkt direkt beim Hersteller erworben wurde. Beim Kauf über einen Händler kann dieser jedoch entweder einen eigenen Anspruch auf Ersatzteile beim Hersteller geltend machen oder diesen Anspruch an den Käufer übertragen. Ein Anspruch gemäß §242 ist also nicht immer gegeben, wodurch Hersteller und Händler nicht generell verpflichtet sind, ihre Kunden auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist weiterhin mit Ersatzteilen zu versorgen.
Mit der Verabschiedung der im März 2021 eingeführten Ökodesign-Verordnungen hofften Käufer und Verkäufer auf mehr Klarheit bei der Bereitstellung von Ersatzteilen. Die EU hat neue Verordnungen für Elektrogeräte verabschiedet, die nicht nur den Energieverbrauch senken, sondern auch die Reparierbarkeit und Nachhaltigkeit fördern sollen. Hersteller sind nun verpflichtet, Ersatzteile für Kühlgeräte, Waschmaschinen, Geschirrspüler, elektronische Displays, Lichtquellen, externe Netzteile uvm. mindestens sieben, teils sogar zehn Jahre lang bereitzustellen und Reparaturanleitungen offen zugänglich zu machen. Die neuen Regeln sollen verhindern, dass reparierbare Geräte vorzeitig entsorgt werden, da viele Werkstätten Schwierigkeiten haben, Ersatzteile zu angemessenen Preisen zu bekommen | https://www.handwerksblatt.de/themen-specials/reparieren-statt-wegwerfen/eu-zwingt-hersteller-ersatzteile-zu-liefern (Stand 2024). Eine konkrete Liste für die einige der betroffenen Produkttypen und deren Verfügbarkeit finden Sie beispielsweise auf der Seite des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland: So lange müssen Ersatzteile verfügbar sein | https://www.evz.de.
Wirft man einen genaueren Blick auf die Verordnungen, so steigert das aber lediglich die ohnehin schon bestehende Unklarheit. Die EU-Durchführungsverordnung 2019/2021, schreibt bspw. vor, dass für elektronische Displays bestimmte Ersatzteile wie interne Netzteile, Kondensatoren und Akkus nur sieben Jahre lang verfügbar gehalten werden müssen. Im Gegensatz dazu enthalten andere Verordnungen, etwa die VO 814/2013 für Wasserspeicher und Warmwasserbereiter, keinerlei Vorgaben zur Verfügbarkeit von Ersatzteilen; Die Verfügbarkeit und Pflicht zur Lieferung von Ersatzteilen wird also maßgeblich vom Produkttyp selbst beeinflusst.
Diese Gesetzeslage sorgt nicht nur für Unsicherheit bei Betroffenen, sondern überrascht auch viele Unternehmen, denn sie bedeutet im Klartext: Es besteht keine generelle Verpflichtung, Kunden über die gesamte Lebensdauer eines Produkts mit Ersatzteilen zu versorgen. Dennoch gibt es bestimmte Situationen, in denen ein Anspruch auf Ersatzteile bestehen kann.
Anspruch auf Ersatzteile: Wann müssen sie dennoch geliefert werden?
Obwohl keine allgemeine Verpflichtung besteht, gibt es dennoch Szenarien, in denen Kunden Ersatzteile erwarten können. Diese beziehen sich meist auf vertragliche Zusicherungen oder im Rahmen der Produkthaftung:
Gewährleistungsansprüche: Während der gesetzlichen Gewährleistungsfrist – in der Regel zwei Jahre – haben Kunden das Recht auf eine mangelfreie Ware. Wenn während dieser Zeit ein Defekt am Produkt auftritt, ist der Hersteller zur Nachbesserung verpflichtet. Hierzu kann die Bereitstellung von Ersatzteilen erforderlich sein. Besteht hingegen ein Wartungs- oder Liefervertrag über die Gewährleistungsfrist hinaus, kann der Käufer auch nach Ablauf der zwei Jahre Ersatzteile vom Lieferanten anfordern, was insbesondere in der Automobilbranche sowie bei teuren Investitionsgütern wie Maschinen üblich ist.
Garantieversprechen: Viele Unternehmen gewähren über die gesetzliche Gewährleistungsfrist hinaus freiwillige Garantien. Während dieser Garantiezeit sind Ersatzteile entscheidend, um die Funktionsfähigkeit des Produkts zu sichern. Der Hersteller hat sich in diesem Rahmen verpflichtet, für einen bestimmten Zeitraum die notwendige Ersatzteilversorgung sicherzustellen.
Wartungsverträge: Wird ein Wartungsvertrag zwischen Hersteller und Kunde abgeschlossen, so kann die Ersatzteilversorgung in diesem Rahmen festgelegt sein. Ein solcher Vertrag stellt sicher, dass der Kunde im Falle eines Defekts die benötigten Teile erhält. Wartungsverträge stellen eine klare Absicherung dar und binden den Kunden langfristig an das Unternehmen.
Weitere Rechte des Käufers: Weist eine gekaufte Sache Mängel auf und liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor – sofern keine anderen Regelungen greifen –, hat der Käufer folgende Rechte: Er kann gemäß § 439 eine Nacherfüllung verlangen, also die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache fordern. Weiterhin steht es ihm gemäß §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 zu, vom Vertrag zurückzutreten oder nach § 441 den Kaufpreis zu mindern. Darüber hinaus kann der Käufer gemäß §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz verlangen oder gemäß § 284 Ersatz für vergebliche Aufwendungen beanspruchen (§ 437 BGB - Einzelnorm).
Darüber hinaus kann ein Schadensersatzanspruch entstehen, wenn der Lieferant den Verkäufer vorsätzlich falsch über die künftige Verfügbarkeit von Ersatzteilen informiert hat. Nach § 823 BGB kann in solchen Fällen finanzieller Ausgleich gefordert werden.
Kriterien zur Ersatzteilverfügbarkeit: Wann und wie lange müssen Ersatzteile bereitgestellt werden?
Die Frage, wie lange Ersatzteile bereitgestellt werden sollten, kann je nach Produkt und Branche variieren. Eine allgemeingültige Verpflichtung gibt es zwar nicht, jedoch existieren bestimmte Faktoren, die Hersteller und Händler bei der Festlegung einer sinnvollen Ersatzteildauer berücksichtigen können, sodass Käufer und Kunden nicht unzufrieden mit den Leistungen ihres Herstellers sind, wodurch letztendlich beide Seiten profitieren. Vor diesem Hintergrund sollte das Thema Ersatzteilverfügbarkeit, besonders wenn keine umfassenden gesetzlichen Verpflichtungen bestehen, bilateral geregelt und vertraglich abgesichert werden. Folgende Kriterien ließen sich bei der Vertragsverhandlung heranziehen:
Lebensdauer des Produkts: Für Produkte mit einer langen Lebensdauer wie Maschinen oder Anlagen ist eine längere Ersatzteilverfügbarkeit sinnvoll. Im Maschinenbau wird die durchschnittliche Lebensdauer von Produkten oft mit zehn Jahren angesetzt, weshalb Unternehmen häufig auch Ersatzteile über diesen Zeitraum anbieten, aber eben nicht immer.
Serienmäßigkeit und Häufigkeit von Verschleiß: Werden Maschinen oder Anlagen in hoher Stückzahl produziert und regelmäßig verwendet, steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Verschleiß. In diesen Fällen ist eine Ersatzteilversorgung sinnvoll, da Kunden häufiger auf Ersatzteile angewiesen sind.
Anschaffungskosten und Zumutbarkeit der Eigenbeschaffung: Besonders kostspielige und komplexe Maschinen werden oft nicht vom Kunden selbst gelagert. Für teure Produkte erwarten Kunden eher, dass Ersatzteile über einen längeren Zeitraum verfügbar sind, da sie eine hohe Investition getätigt haben.
Umfang und Dauer der Ersatzteilversorgung: Die Pflicht zur Bereitstellung von Ersatzteilen kann auf Verschleißteile beschränkt sein, deren Abnutzung im Rahmen der üblichen Nutzungsdauer des Produkts erwartet wird. Sollte ein Dritthersteller Ersatzteile in vergleichbarer Qualität und zu ähnlichen Preisen anbieten, entfällt die Pflicht des Lieferanten zur Versorgung. Wenn der Hersteller die Produktion einstellt, muss er dennoch eine ausreichende Anzahl von Ersatzteilen für seinen Kundenkreis einlagern, um eine Grundversorgung zu gewährleisten.
Gründe für die freiwillige Bereitstellung von Ersatzteilen
Die genannten Kriterien zeigen, dass eine Ersatzteilverfügbarkeit in erster Linie vertraglich geregelt wird. Wie bereits erwähnt, sollten Unternehmen und Hersteller auch unabhängig von solchen Verträgen ein Interesse an einer adäquaten Ersatzteilversorgung haben. Insbesondere in Branchen wie dem Maschinen- und Anlagenbau, in denen langlebige Produkte und kapitalintensive Investitionen eine Rolle spielen, sind Ersatzteile für die langfristige Kundenbindung und die Sicherung von Folgeverkäufen unerlässlich.
Wirtschaftliches Interesse: Ersatzteile bieten Herstellern eine Möglichkeit, auch nach dem Verkauf des Hauptprodukts Umsätze zu generieren. Ein funktionierendes Ersatzteilgeschäft trägt nicht nur zur Umsatzsteigerung bei, sondern sorgt auch für eine stabile und kontinuierliche Einnahmequelle.
Kundenbindung: Die Verfügbarkeit von Ersatzteilen stärkt die Kundenbindung erheblich. Kunden, die wissen, dass sie auch nach Jahren noch benötigte Teile für ihre Maschinen erhalten, werden dem Hersteller eher treu bleiben. Sie schätzen die Zuverlässigkeit und den langfristigen Service des Unternehmens - Für Hersteller ergibt sich daraus Kundenzufriedenheit und dementsprechend ein profitabler Customer-Lifetime-Value.
Image und Wettbewerbsvorteil: Unternehmen, die sich für eine umfassende Ersatzteilversorgung entscheiden, signalisieren ihren Kunden Zuverlässigkeit und Vertrauen. Gerade im internationalen Wettbewerb ist ein solcher Vorteil oft entscheidend und stärkt die Marktposition des Unternehmens. Zusätzlich sorgt ein umfassendes Ersatzteil-Portfolio für mehr Sicherheit beim Verbraucher. Ziehen wir beispielsweise die Automobilbranche heran, so ist der Einbau von originalen Ersatzteilen entscheidend für die TÜV Zulassung. Obwohl es durchaus funktional gute Teile von Drittanbietern und Händlern gibt, fungiert das Original nach wie vor als ein Qualitäts -und Sicherheitsstandard, auf den viele ungern verzichten wollen.
Fazit: Ersatzteilversorgung als strategischer Hebel im B2B E-Commerce
Die Bereitstellung von Ersatzteilen ist im Maschinenbau trotz lückenhafter gesetzlicher Pflicht ein Thema von großer Relevanz. Auch wenn es keine rechtlich klare Verpflichtung zur Lieferung gibt, profitieren Unternehmen wirtschaftlich und in Hinblick auf die Kundenbindung von einem funktionierenden Ersatzteilgeschäft. Für Hersteller und Verkäufer bedeutet dies, dass sie ihre Ersatzteilstrategie sorgfältig planen sollten, um nicht nur rechtliche Sicherheit zu haben, sondern auch ihre Position am Markt zu stärken.
Im B2B-Bereich ist es daher empfehlenswert, die Bereitstellung von Ersatzteilen über einen festen Zeitraum vertraglich zu regeln, um allen Beteiligten Planungssicherheit zu bieten. Dies sollte so konkret geschehen wie nötig, um Sicherheit und Ansprüche schriftlich zu garantieren und negative Überraschungen zu vermeiden. Eine langfristige Verfügbarkeit von Ersatzteilen steigert die Zufriedenheit der Endkunden und reduziert zugleich die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf Drittanbieter zurückgreifen.
B2B E-Commerce-Unternehmen können zum Beispiel Unternehmen dabei helfen, die Ersatzteilverfügbarkeit effizient und digital zu steuern und darüber hinaus Kundenbedarfe präzise zu prognostizieren sowie den Service zu verbessern und kostenärmer zu gestalten. In einer Branche, in der Ersatzteilverfügbarkeit oft über Erfolg und Misserfolg entscheidet, bieten sich so erhebliche Wettbewerbsvorteile.
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Über die vielen genannten Passagen hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Abschnitte, Paragraphen und Stellen, die einen Anspruch auf Ersatzteile geltend machen können. Dieser Blogartikel soll NICHT als lückenlose Rechtsberatung gelten, sondern hat lediglich einen informativen Zweck, Betroffene über die teils missverständlichen Annahmen bei der Versorgung von Ersatzteilen aufzuklären.
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