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Das EU-Lieferkettengesetz: Zeit zu handeln


Das EU-Lieferkettengesetz: Zeit zu handeln

Viele Menschen, die Produkte für den europäischen Markt herstellen, arbeiten unter prekären Bedingungen – oft sind ihre grundlegenden Menschenrechte nicht geschützt, und die Arbeitskonditionen sind erschreckend. Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales arbeiten weltweit rund 1,4 Milliarden Menschen in menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen. Die Zahl der Betroffenen von Zwangsarbeit und moderner Sklaverei steigt ebenfalls stetig: Nach aktuellen Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind es mittlerweile 28 Millionen Menschen. Ebenso wächst der Anteil arbeitender Kinder, die aus wirtschaftlicher Not die Familien unterstützen müssen – etwa in den Goldminen Burkina Fasos, den Textilfabriken Bangladeschs oder auf den Kakaoplantagen der Elfenbeinküste. Die COVID-19-Pandemie hat die Situation zusätzlich verschärft, sodass derzeit etwa 160 Millionen Kinder weltweit arbeiten – die Hälfte von ihnen jünger als zwölf Jahre, so das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.


Als globaler Akteur und zweitgrößter Wirtschaftsraum der Welt sieht die Europäische Union (EU) sich in der Pflicht, gegen diese Missstände vorzugehen. Organisationen und Länder weltweit, wie bspw. Kanada, Australien oder Großbritannien, setzen bereits auf klare rechtliche Vorgaben in diesem Bereich.

 

Um ihrer Verantwortung gerecht zu werden, hat die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten am 15. März 2024 dem EU-Lieferkettengesetz zugestimmt. Am 24. Mai 2024 folgte dann die endgültige Zustimmung des Rats der Europäischen Union. Mit dieser Entscheidung ist der Gesetzgebungsprozess abgeschlossen, und die Richtlinie tritt als Rechtsakt in Kraft. Damit sind seit dem 1. Januar 2023 Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten betroffen und seit dem 1. Januar 2024 Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten.


Das neue EU-Lieferkettengesetz erhielt von Politik und Wirtschaft gemischte Reaktionen. Politiker der SPD und Grünen begrüßten die Entscheidung ausdrücklich, handelt es sich doch um einen wichtigen Fortschritt für Menschenrechte und faire Bedingungen im europäischen Markt.

  

Die nun Ex-Ampel-Koalition blieb jedoch gespalten: Die FDP setzte eine Enthaltung durch, geschuldet ihrer Skepsis, ob zusätzliche Bürokratie und rechtliche Risiken Unternehmen nicht dazu veranlassten, Europa zu verlassen. Auch einige Wirtschaftsvertreter zeigten sich kritisch, da der bürokratische Mehraufwand Europa als Standort für Unternehmen schwächen könnte. Peter Adrian von der Deutschen Industrie- und Handelskammer sah die zusätzlichen Anforderungen trotz Verbesserungen als große Herausforderung, da Unternehmen nun ihre globalen Lieferketten intensiver kontrollieren müssen.


Dabei wurde die EU-Lieferketten-Richtlinie bereits von ihrem ursprünglichen Entwurf abgeschwächt. Die ursprünglich strengeren Vorgaben wurden gelockert: Die Richtlinie gilt nun erst für Firmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz statt bereits ab 500 Beschäftigten. Auch die Liste der besonders risikobehafteten Branchen wie Landwirtschaft und Textil wurde gestrichen. Zudem enthält die EU-Regelung – anders als das deutsche Gesetz – eine zivilrechtliche Haftung, die jedoch nur in bestimmten Fällen greift. Wichtig zu wissen ist, dass dieser Beschluss zwar von der EU gefasst wurde, jedoch für Unternehmen innerhalb sowie außerhalb der EU gleichermaßen gilt. Die Umsetzung dieser Vorschriften wird durch nationale Aufsichtsbehörden überwacht. Diese Behörden können gegen Regelverstöße vorgehen und Bußgelder von bis zu 5 % des weltweiten Umsatzes eines Unternehmens verhängen. Bei Verstößen sind Unternehmen außerdem zur Entschädigung der betroffenen Personen verpflichtet.


Mit der Regelung zielt die EU primär darauf ab, Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen in ihren globalen Lieferketten zur Verantwortung zu ziehen. Die neue EU-Richtlinie verpflichtet Unternehmen dazu, ihre eigenen Aktivitäten sowie die ihrer Lieferanten und Partner auf negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt zu überprüfen. Dazu zählen unter anderem Fälle von Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Umweltverschmutzung und der Verlust biologischer Vielfalt. Unternehmen müssen Risiken entlang ihrer Wertschöpfungskette identifizieren und Maßnahmen ergreifen, um schädliche Praktiken zu verhindern, zu beenden oder zu mildern. Zusätzlich sollen große Unternehmen ihre Geschäftsstrategien im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens ausrichten.  


Gegeben der Kriterien von 1.000 Mitarbeitenden und einem weltweiten Umsatz von mindestens 450 Millionen Euro sind vorrangig größere Unternehmen vom neuen Gesetz betroffen. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sind hingegen zwar nicht direkt an die Vorgaben gebunden, können jedoch indirekt betroffen sein, beispielsweise wenn sie als Zulieferer für größere Unternehmen agieren, die den Regelungen unterliegen. 

 

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